Konsequent sein ist eine besondere Form der Selbstachtung. Wer konsequent im Leben handelt und von seinen roten Linien nicht abweicht, hat es häufig leichter. Doch die Grenzen zwischen „aus Prinzip“ und „ausnahmsweise“ sind häufig durchlässiger, als wir es uns selbst zugestehen. Und sie können fatale Folgen für unser Seelenheil haben.
Als ich vor Kurzem durch den Pariser Platz in Berlin schlenderte, kribbelte es mir in den Fingern. Ich war kurz davor, einen „Freund“ anzurufen. Dann aber habe ich mir wieder in Erinnerung gerufen, warum ich diesen Arsch nicht anrufen sollte. „Freunde sind, wie Sterne“, sagte einmal ein liebes Wesen zu mir. „Man sieht sie nicht immer, aber sie sind immer da.“
Das gilt natürlich nur für wahre Freundschaften, nicht für das, was wir dafür halten oder gehalten haben. Die ewige Geschichte ist, dass wir wahre Freundschaften meist nur dann erkennen, wenn wir wirklich in Not geraten. Ich kann mich glücklich schätzen, mein Umfeld ist intakt. Auf meine Familie und Freunde war verlass. Mit einer Ausnahme.
Die Ausnahme lebt heute in Berlin. Ich hätte erwartet, dass die Person, nachdem sie erfahren hat, was mir vor knapp 1,5 Jahren widerfahren ist, sich bei mir meldet. Doch selbst als ich die Person selbst kontaktiert habe, hat diese Person, wohl wissend um der Umstände, nicht mal den Finger gerührt, um mich anzurufen.
Ich habe damit abgeschlossen und mich entschieden, diese Person aus meinem Leben zu löschen. Man widersteht aber der Versuchung nur sehr schwer, wenn man per Luftlinie vielleicht nur noch 200 m entfernt ist. Mein Fehler war jedoch, diese Entscheidung so spät zu fällen.
Schon vor 23 Jahren hätte ich es tun müssen. Damals war der üble Charakter dieser Person sichtbar gewesen. Ich habe es damals nicht getan und dieser Person eine weitere Chance gegeben. Heute bereue ich den Schritt von damals. Arschlöcher muss man schnell und unkompliziert in den Wind schießen. Sie verdienen nie eine zweite Chance.
Im vergangenen Jahr habe ich einen Bekannten, ungefähr zu dieser Zeit, darauf hingewiesen, dass es nicht in Ordnung ist, uns (einen Freund und mich) bei einem Iftar-Empfang auszuschließen, gleichzeitig aber zu erwarten, dass wir dann bei einem privaten Iftar auftauchen. Ich war dann beim letzten Iftar dabei, aber mit Bauchschmerzen.
Wenn man an dem einen Tisch nicht willkommen ist, warum soll man dann beim anderen Tisch dabei sein? Unsere Selbstachtung sagt uns: „Tue das nicht!“ Unser Gewissen sagt uns: „Sei kein Arsch!“ Wir lassen uns erneut überreden und nehmen an etwas teil, wo wir uns eigentlich nicht mit wohlfühlen. Wo wir wissen, wir sind eigentlich nicht willkommen, sonst würde man uns an allen Tischen sehen wollen.
Knapp zwei Monate später meldete sich der Bekannte, weil er ein Anliegen und eine Bitte hatte. Ich habe ihn daran erinnert, dass er meinen Freund und mich nicht zum Iftar-Empfang eingeladen hat und er künftig auf solche Anfragen verzichten kann, sollte es erneut ausbleiben.
Und, wie zu erwarten, wurden wir auch — trotz noch weiterer Begegnungen — in diesem Jahr wieder nicht eingeladen. Ich habe die erneut eingetrudelte private Iftar-Einladung, nachdem ich vor ein paar Wochen zugesagt hatte, heute storniert.
Seitdem ich mehr an mir arbeite, weiß ich, dass man nicht an Tischen sollte, mit Menschen, wo man nicht willkommen ist. Diese Menschen überlässt man sich selbst und man kümmert sich um die Menschen, mit denen man an einem Tisch sitzen möchte. Ich treffe mich jetzt mit Freunden zum Iftar.
Es ist nicht schwer ein unbeschwertes Leben zu führen, wenn man Arschlöcher und Menschen, die einen nicht wertschätzen, aus seinem Leben herausschmeißt. Das ist eine radikale Denkweise, die sich auch nicht über alle Ebenen durchspielen lässt (beruflich muss man mit dem Arbeiten, was man hat).
Gleichzeitig stärkt es das Selbstwertgefühl, wenn man aufhört, sich aufgrund irgendwelcher eingeredeten sozialen Verpflichtungen oder sozial anerzogenen Verhaltensweisen unglücklich zu machen. Wer wirklich Seelenfrieden finden will, der konzentriert sich auf die Dinge, die ihm Spaß machen und Menschen, die ihm guttun.