In diesen Tagen suche ich Trost in der Abwechslung. Ich bin unabkömmlich und verkrieche mich in die Welt der Bücher. Arbeitskolleg*innen haben mir, als Dankeschön für eine sechswöchige Vertretung, ein kleines Dankeschön zugesendet. Ein Gutschein für den Kauf von Büchern. Ich entscheide mich für zwei. Eines davon ist „Kaffee und Zigaretten“ von Ferdinand von Schirach. Es ist nun das zweite Buch dieses Autors in meinem Besitz, nachdem mich seine Kurzgeschichten-Sammlung „Strafe“ beeindruckt zurückgelassen hat.
Es ist ein persönliches Buch. So persönlich, dass ich immer wieder schmunzeln, mich selbst in Teilen des Werkes entdecken und vor der Wortgewaltigkeit der einfachen Sätze erschrecken muss. Beim Lesen jeder Zeile fühlte ich mich verstanden und umsorgt. Ein Werk, von einem Synästhetiker, der mehr für einen depressiven Nerd schreibt, der sich wie ich, in seinem kleinen Kämmerlein verkrochen hat. Dabei ist der Autor erneut in der Lage zu zaubern und seine Leserschaft verblüfft zurückzulassen.
„Heimat ist kein Ort, es ist unsere Erinnerung.“
Ferdinand von Schirach, Kaffee und Zigaretten
Die Erinnerungen an seine eigene Kindheit, die Erzählungen von der Vergänglichkeit des Lebens, der Eitelkeit der Eitelkeiten (vanitatum vanitas), der Schönheit der Dinge – sie sind wortkarg gestaltet und doch tiefgründiger über das gewaltige Dasein erzählend als viele Exegesen von theologischen Büchern hergeben würden. Von Schirach ist ein besonderer Autor und ich verliebe mich gerade in seine Gedanken und Werke. Ich schaue mir beim Lesen immer wieder angesprochene Dinge im Web an. Ich suche nach Lebensgeschichten, nach Hintergründen, nach Details zur Entlarvung von Kleinigkeiten.
„Depressionen seien keine Traurigkeit, sagt er, sie sind etwas ganz anderes. Er weiß, dass sie es nicht verstehen wird.“
Ferdinand von Schirach in Kaffee und Zigaretten
Nur wenige Autoren schaffen es, bei mir einen bleibenden Eindruck auch mit dem zweiten Buch zu hinterlassen. Von Schirach spricht mir in seinen Texten aus der Seele. Er erzählt die Dinge nicht ausschmückend, sondern als Beobachter, der die Dinge festhält und den Gedanken die Übersetzung überlässt. Und sein Stil ist anders, vermutlich nicht mal so, wie ihn sich alle Autor*innen und Expert*innen wünschen würden. Doch genau das macht es besonders, den Gedanken und Ausführungen dieses Autors zu folgen. Jeder kleine Text ist für mich wie ein Haiku. Und die kleinen unscheinbaren Sätze verbergen Weisheit für mehr als ein Leben.
„Es gibt keine Pflicht zu leben, jeder scheitert auf seine eigene Weise.“
Ferdinand von Schirach, Kaffee und Zigaretten
Am Ende bleibt nur zu sagen: Ich habe einen weiteren Lieblingsautor, neben u. a. Rafik Schami, Annemarie Schimmel und Yaşar Kemal gefunden, der mit seinen Texten meine Seele berührt und trotz der Traurigkeit, die teilweise übertragen wird auf das eigene Gemüt, einen hoffnungsvoll auf die einfachen Dinge im Leben blicken lassen. Unser Gemüt wiegt da schwer, aber Texte wie diese, schenken uns Hoffnung und trösten über unsere unverstandene Seele. Schön und empfehlenswert, dieser Weltbestseller.
Autor: Ferdinand von Schirach
Verlag: btb
ISBN: 9783442719747
Kaffee und Zigaretten