James Wood: Die Kunst des Erzählens

Was ich in der Schule über das Schreiben lernte… Nun ja. Meine Lehrerinnen und Lehrer wären heute nicht glücklich darüber, was ich über das Gelernte in der Schule zu berichten weiß. „Junge, es ist wichtig, dass du ordentliche Sätze bilden kannst.“ oder „Ohne eine korrekte Kommasetzung bekommt ihr nie einen Job.“ sind wohl die schlimmsten Sätze, die mir im Gedächtnis geblieben sind. Deutsch – für mich zugleich eine Fremd- als auch später meine Muttersprache – ist zugegeben eine schwere Sprache. Die Schule begrenzt aber unsere Sprache und unser Vermögen uns auszudrücken. Nur, wer sich dem Diktat der Schule entziehen kann und anders schreibt, als es gelehrt wird, hat wirklich Erfolg.

Es interessiert gute Autoren oft gar nicht, ob ihre Grammatik oder ihre Rechtschreibung korrekt ist. Sie wollen eine gute Geschichte erzählen. Als Autoren, als Romanciers, als Dichterinnen und Dichter, als Biografen und natürlich auch als Journalisten. Die Feinheiten der deutschen Sprache werden dann oft von den Lektoren nachgeliefert, welche eine aussterbende Zunft in Verlagen sind, insbesondere in den Zeitungsverlagen, was sich auch an grässlichen sprachlichen wie niveaulosen Fehlern ausdrückt. Der Auflage der BILD schaden solche Dinge jedenfalls nicht wirklich. Auf der anderen Seiten sind Lektoren aber auch gezwungen der Sprache der Autoren ihre eigene Sprache zu lassen. Man will die Texte ja nicht ihrer Seele berauben.

James Wood erzählt uns nicht nur, wie man gute Erzählungen schreibt, er öffnet uns die Augen für die Welt

Entsprechend gibt es viele Autoren, die sich immer wieder die Frage stellen, wie sie ihre Charaktere in ihren Geschichten einbinden, entwickeln und wachsen lassen. Dass es mehr als nur einen Stil gibt, ist bekannt. Doch wie ist das eigentlich? Welche Möglichkeiten hat man eigentlich und wodurch zeichnet sich eine gute Geschichte aus? Dieser Frage geht James Wood in seinem Buch „Die Kunst des Erzählens“ nach. Der Autor glänzt mit einer grandiosen Offenheit, Selbstironie und vor allem berechtigten Kritik. Und während Wood uns erzählt, was eine echt gute Geschichte, gute Sätze oder gute Wörter ausmacht, erzählt er uns eigentlich etwas über unsere Welt.

Wer mit viel Liebe zum Detail die Dinge um sich herum betrachtet, kann die schönste Prosa entdecken. Nach der Lektüre des Werkes von Wood sieht man in den Büchern, die man liest, mehr Nuancen und mehr Details. Man analysiert zwangsläufig die Sprache der Autoren, den tieferen Sinn und sinniert natürlich über die Intentionen des Urhebers. Woods Buch ist eine Einführung und doch erklärt es uns die Welt. Es erklärt uns unsere Sprache und unser Vermögen und unseren Schatz. Es öffnet die Sinne für mehr und für besseres.

Empfehlung aus den Gilmore Girls

Wer die Welt verstehen möchte, sollte dieses Buch lesen. Das sage nicht nur ich. Auch in der Populärkultur ist das Buch von Wood längst angekommen. So liest Rory Gilmore, verkörpert von Alexis Bledel, in der Serie Gilmore Girls – neben vielen und zahlreichen Büchern – auch das Werk von Wood und schwärmt davon. Dies machte das Buch und Wood auch einem größeren Interessentenkreis bekannt. In Deutschland schwärmten die Feuilletonisten der Nation vom Werk und letztlich muss man zugestehen: Ein Werk, das so feinsinnig andere Werke und die Sprache auseinandernimmt und sie seziert ist es auch Wert so hochgelobt zu werden.

Wer meint, er müsse ein Buch schreiben und eine Geschichte erzählen, sollte dieses Buch lesen. Und wer „Deutsch“ unterrichtet, sollte dieses Buch unbedingt lesen. Es kann nicht schaden, einen Einblick in eine andere Sicht auf die Dinge zu riskieren. Gerade Deutsch-Lehrer können uns unserer Fantasie und unserer Möglichkeiten in der Sprache berauben. Doch Sprache sollte nicht nur funktional sein. Darauf macht Wood sehr gut aufmerksam. Und dafür kann man ihm gar nicht genug danken.

Titel: Die Kunst des Erzählens
Autor: James Wood
Verlag: Rowohlt Taschenbuch
ISBN: 978-3499630163

Akif Şahin

Akif Şahin aus Hamburg. Arbeite als SEO-Manager für eine der größten Bildungs-Gruppen in Europa. Als Muslim interessiert mich die Geschichte und Kultur des vorderen Orients. Auf diesem Blog gibt es Einsichten, Aussichten und Islamisches.

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