Heute hat sich historisches im hohen Haus ereignet. Vermutlich nicht im Sinne des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. Dieser hat als erster Kandidat in der Geschichte der Bundesrepublik erst im zweiten Wahlgang die Kanzlermehrheit errungen. Die Klatsche für den CDU-Chef, der am Ende doch noch Kanzler geworden ist, ist ein sehr hohes Pfand. Merz kann sich in Zukunft seiner Mehrheit im schwarz-roten Lager nicht wirklich sicher sein. Er hat sich heute blamiert und startet beschädigt ins Amt.
Das Gute an der Demokratie ist: Es gibt geheime Wahlen. Das Schlechte an der Demokratie ist: Es gibt geheime Wahlen. So kann man es zusammenfassen, was heute vorgefallen ist. Aus dem schwarz-roten Lager haben mindestens 18 Politiker Friedrich Merz im ersten Wahlgang die Gefolgschaft verweigert. Union und SPD verfügen zusammen über 328 Mandate im Bundestag.
Wer die Abweichler waren, bleibt ein Geheimnis. Geheime Abstimmung. Auch im zweiten Wahlgang haben wohl mindestens drei Abgeordnete nicht Friedrich Merz gewählt. Und das Pfand ist groß. Auch wenn Merz jetzt versuchen wird, diesen Makel schnell von sich zu weisen und zu versuchen, mit ersten Entscheidungen wegzuregieren und gute Miene zum bösen Spiel zu machen: Der Kanzler ist angeschlagen und bereits vor Amtsantritt beschädigt.
Wer waren die Abweichler bei der Kanzlerwahl von Friedrich Merz?
Denn die Frage bleibt, wer die Abweichler waren. Waren es verbitterte Politiker, die mit dem Kurs der CDU und dem unterzeichneten Koalitionsvertrag ein Einknicken gegenüber rot-grünen Forderungen gesehen haben? CDU-Politiker, die etwas gegen das Schuldenmachen und den Wortbruch von Merz haben? Waren es SPD-Politiker, die am Ende der Verhandlungen weitestgehend leer ausgegangen sind, was lukrative Politik-Posten betrifft? Oder waren es sogar Politiker aus den Reihen der CSU, die lieber einen anderen Kanzlerkandidaten aufgestellt hätten?
Eines steht fest: Merz kann sich seiner Mehrheit im Parlament nach diesem Tag nicht sicher sein. Die ständige Angst, erneut in eine solche Bedrängnis zu kommen, wird mitregieren. Wenn der Kanzler vor seiner Wahl eines gezeigt hat, dann ist es doch, dass er kaum weitsichtig agiert. Das gilt für die Aufhebung der Schuldenbremse, wie für die Dämonisierung anderer Parteien. Nach dem heutigen Tag ist auch klar: bei der nächsten politisch brisanten Sache werden die neuen Fraktionsvorsitzenden bei CDU, CSU und SPD nicht liefern können. Die Klatsche saß heute zu tief.
Kann Merz überhaupt Kanzler?
Gleichzeitig wird immer die Frage im Raum stehen: Kann Merz überhaupt Kanzler? Gewählt zu sein, dazu noch mit dem Makel der zweiten Runde, wie kein anderer vor ihm, ist ein hohes Pfand und es würde viel Überzeugungsarbeit benötigen, um diesen Makel von sich zu bekommen. Das ist aber bei Friedrich Merz, der gerne aneckt und auch gezeigt hat, dass er kein Freund von Diplomatie ist, nicht hinzubekommen.
Der neue Regierungssprecher, SZ-Journalist Stefan Kornelius, wird daher in den kommenden Monaten noch viel zu tun haben, um die Politik und Meinung seines Ober-Chefs, sowie der Bundesregierung zu erklären. Fakt ist: Merz kann nicht wie ein Pascha durchregieren. Er muss Diplomat und Versöhner sein. Heute hat er erstmals gesehen, wohin seine eingerissene Brückenpolitik führt.
Eingeknickt vor Grünen und Linken – zum Scheitern verurteilt
Er ist vor den Grünen (zum zweiten Mal) und der Linken (erstmals) eingeknickt. Hat um seiner Wahl willen sogar den Unvereinbarkeitsbeschluss der eigenen Partei ignoriert. Mit blumigen Worten haben dann andere versucht zu erklären, warum das kein erneuter Wortbruch oder warum es gerade notwendig gewesen ist. Vielleicht tut Merz jetzt ein bisschen Demut gut und er überlegt, ob er nicht doch an seiner Art arbeiten sollte, bevor er anfängt, über großartige Politik zu lamentieren.
Das Schlimme ist: Merz muss liefern. Und er wird die Erwartungen an ihn nicht erfüllen können. Die Erwartungen sind zu hoch und die Fixierung auf eine AfD viel zu stark ausgeprägt. Instinktpolitiker wüssten, wie sie hier vorgehen. Doch auch das ist Merz nicht. Er ist die zweite Wahl heute gewesen und die zweite Wahl der CDU als Kanzlerkandidat (erinnert sich jemand noch an Laschet?). Merz hat Kampfgeist, aber so jemand kann keine erfolgreichen vier Jahre durchhalten. Wir dürfen uns auf Regierungskrisen und ein Scheitern vorbereiten.
Alles andere wäre schön, aber auch eine Überraschung. Wir lassen uns aber alle gerne überraschen, oder?!
Klatsche für den CDU-Pascha: Kanzlerschaft von Friedrich Merz beginnt angeschlagen