Bücher und Suhuf – Die muslimische Sicht auf die heiligen Texte
Allah (swt) hat durch seine Propheten (as) der Menschheit zu verschiedenen Zeiten Bücher und einzelne Seiten (Suhuf) offenbart. Diese Texte riefen die Menschen zum wahren Glauben und zur wahren Religion auf. Sie erklärten, was erlaubt und was verboten ist, wiesen auf Pflichten hin und zeigten Wege zur Glückseligkeit – im Diesseits wie im Jenseits.
Der Glaube an die offenbarten Bücher
Als Muslime glauben wir an alle Bücher und Suhuf, die Allah (swt) durch seine Propheten (as) offenbart hat. Gleichzeitig wissen wir, dass diese Bücher – mit Ausnahme des Koran al Karim – im Laufe der Zeit von Menschen verändert wurden. Unser Glaube richtet sich daher auf ihre ursprüngliche Form, wie sie den Propheten (as) von Allah (swt) offenbart wurde.
Der Koran hingegen wurde in seiner Ursprungsform bewahrt und hat keine Veränderung erfahren. Dies kann belegt werden: Der Text ist weltweit identisch, unabhängig vom Land oder der Kultur. Moderne Manuskriptforschung belegt die Authentizität früher Koran-Versionen, etwa durch den Vergleich mit dem Sanaa-Manuskript.
Offenbarte Schriften im Islam
Nicht jedem Propheten (as) wurde ein ganzes Buch offenbart – manche erhielten nur einzelne Seiten (Suhuf):
- Adam (as): 10 Seiten
- Sit (as): 50 Seiten
- Idris (as): 30 Seiten
- Abraham (as): 10 Seiten
Diese Suhuf enthielten nach islamischer Gelehrsamkeit die Grundlagen des Ur-Islam. Der Islam wird als ursprüngliche und ewige Religion verstanden, nicht als die letzte, sondern als die erste und einzige wahre Religion bei Allah (swt).
Die vier großen offenbarten Bücher sind:
- Thora (Tawrat) – an Moses (as)
- Psalter (Zabur) – an David (as)
- Evangelium (Injil) – an Jesus (as)
- Koran al Karim – an Muhammad (saw)
Die Offenbarung des Korans
Vor seiner Prophetie zog sich Muhammad (saw) regelmäßig zur Einkehr in die Höhle Hira bei Mekka zurück. Im Monat Ramadan des Jahres 610 empfing er dort die erste Offenbarung. Der Erzengel Gabriel (as) sprach: „Lies!“ und offenbarte die ersten fünf Verse der Sura Al-Alaq (96:1-5).
Lies im Namen deines Schöpfers, der erschuf – erschuf den Menschen aus einem Blutklumpen. Lies! Denn dein Schöpfer ist der Edelste, der durch die Schreibfeder gelehrt hat, den Menschen gelehrt hat, was er nicht wusste.
Mit dieser Offenbarung begann die 23-jährige Herabsendung des Korans. Die Verse wurden je nach Situation und Bedarf offenbart – ein Prinzip, das als Asbab an-Nuzul (Offenbarungsgründe) bekannt ist. Der letzte Vers, Sura Al-Baqara (2:281), mahnt an das Jüngste Gericht:
„Und fürchtet den Tag, an dem ihr zu Allah zurückkehren werdet. Dann wird jeder das erhalten, was er verdient, und niemandem wird Unrecht zugefügt.“
Die Sammlung des Korans als Mushaf
Der Prophet (saw) ließ jede Offenbarung von Schreibern aufschreiben und in eine bestimmte Ordnung bringen. Viele seiner Gefährten (Sahaba) lernten die Verse auswendig. Während seiner Lebenszeit war keine vollständige Buchform nötig, da der Prophet (saw) selbst lebte – seine Frau Aischa (ra) sagte: „Sein Charakter war der Koran.“
Nach dem Tod des Propheten (saw) ließ Abu Bakr (ra), der erste Kalif, den Koran unter der Leitung von Zaid ibn Thabit (ra) zusammentragen. Dieser Mushaf wurde auf Richtigkeit überprüft und gesichert. Kalif Uthman (ra) ließ später den Mushaf vervielfältigen und verbreiten, um Einheit und Authentizität zu wahren.
Die Einzigartigkeit des Korans
Der Koran al Karim unterscheidet sich durch mehrere Aspekte von allen anderen Offenbarungstexten:
- Bewahrung des Originals: Der Koran blieb in seiner Ursprache, dem Arabischen, unverändert erhalten. Allah (swt) sagt:
„Wahrlich, Wir selbst haben die Ermahnung hinabgesandt, und Wir werden sie gewiss bewahren.“ (Sura Al-Hidschr, 15:9)
- Stückweise Offenbarung: Die sukzessive Herabsendung erleichterte das Verständnis, Umsetzung in der Praxis und Auswendiglernen.
- Letzte Offenbarung: Der Koran ist das letzte göttliche Buch und gilt als vollkommene Anleitung für alle Menschen bis zum Tag des Jüngsten Gerichts.
- Für alle Menschen: Er richtet sich nicht an ein bestimmtes Volk, sondern an die gesamte Menschheit – unabhängig von Ort und Zeit.
- Wunder des Propheten Muhammad (saw): Der Koran ist das größte Wunder des Propheten (saw) – sprachlich, inhaltlich, strukturell. Kein Mensch vermag ein gleiches Buch hervorzubringen.
Unsere Pflichten gegenüber dem Koran
Der Koran ist die direkte Ansprache Allahs (swt) an uns. Deshalb sollten wir ihn:
- auf Arabisch nach den Grammatik-Regeln (tadschwid) rezitieren,
- mit Respekt und ritueller Reinheit (wudhu; abdest) berühren,
- beim Rezitieren zur Qibla sitzen und mit „Bismillahirrahmanirrahim“ beginnen,
- an sauberen Orten lesen und mit voller Aufmerksamkeit begegnen,
- Übersetzungen als Hilfe nutzen, aber auch immer eine Exegese (tafsir) zur Erklärung heranziehen,
- respektvoll mit der Koran-Rezitation anderer umgehen,
- das Buch stets erhöht aufbewahren,
- und vor allem: seine moralischen Lehren verinnerlichen und im Alltag leben.
Der Koran ist nicht nur ein Buch zum Lesen, sondern ein Lebensweg. Wer ihn in seinem Herzen trägt, hat das Licht der Offenbarung stets in seinem Inneren.