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Die SCHURA Hamburg hat am 20. November 2022 ihre nächste Mitgliederversammlung und dort soll entschieden werden, wie es mit ihrer Mitgliedsgemeinde, dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH), als Teil der SCHURA weitergeht. Schon vor Monaten war hinter den Kulissen zu hören, dass die SCHURA die Mitgliedschaft des IZH ruhen lassen möchte. Dafür wäre aber eine Satzungsänderung notwendig, da die bisherige Satzung eine solche Möglichkeit nicht vorsieht.*
Es gab in der öffentlichen Wahrnehmung und auch gegenüber der Politik allerdings aus Vorstandsseite das Signal, dass die IZH ihre Mitgliedschaft in der SCHURA ruhen lasse. Davon wollte aber nach Informationen dieses Blogs das IZH wiederum nichts wissen. Auch in der gegenwärtigen Krise, in deren Mittelpunkt der Mord an der kurdischen Iranerin Mahsa Amini (Jina Amini), hat sich das IZH bisher nicht gewillt gezeigt, einen Schritt zurückzugehen oder aus der SCHURA auszutreten. Stattdessen hat der Dachverband der schiitischen Gemeinden eine halbherzige Erklärung zur Sache abgegeben.
SCHURA-Vorsitzender will IZH ausschließen
Gleichzeitig scheint der SCHURA-Vorstand, Fatih Yıldız, bereit zu sein, das IZH als Mitglied auszuschließen. Darauf deuten auch Verlautbarungen in der Presse hin. Allerdings ist unklar, ob sich Yıldız mit seiner Position durchsetzen wird. Es gibt jetzt vier Optionen:
- Auf der Vollversammlung wird eine Satzungsänderung herbeigeführt, die eine ruhende Mitgliedschaft vorsieht und das IZH bekommt nur noch eine ruhende Mitgliedschaft.
- Auf der Vollversammlung wird das IZH von der SCHURA Hamburg ausgeschlossen.
- Das IZH zieht sich angesichts einer abzeichnenden Niederlage komplett aus der SCHURA Hamburg zurück. Es bliebe die Mitgliedschaft im IGS und im Zentralrat der Muslime.
- Oder aber Fatih Yıldız scheitert als Vorsitzender und tritt zurück.
Letzter Punkt wäre dann auch das Ende des Staatsvertrags, weil Yıldız in der aktuellen entscheidenden Phase der Fortsetzung eines Staatsvertrags eine enorm wichtige Rolle eingenommen hat. Es könnte auch das Ende der SCHURA Hamburg bedeuten, sollte Yıldız scheitern.
IGMG und BIG unklar in der Positionierung
Unklar bleibt auch die Position der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) und des Ablegers in Norddeutschland und Hamburg, Bündnis der Islamischen Gemeinden (BIG). Aus IGMG-nahen Kreisen heißt es, es gäbe Druck aus der Zentrale auf die BIG, dass die Thematik IZH vernünftig und ohne Ausschluss gelöst werden soll. Andere Gemeinschaften könnte ein Ausschluss des IZH abschrecken. Dieser Anordnung scheint sich in Hamburg nicht der gesamte Vorstand zu widersetzen.
Es ist unklar, welche Position der Vorsitzende des BIG, Mehmet Karaoğlu, hier einnimmt. Es könnte sein, dass er die IGMG-Position auch dem aktuellen SCHURA-Vorsitzenden aufgetragen hat. Das BIG hat in der SCHURA ein Übergewicht, aber keine absolute Mehrheit. Diese ist nach bisherigem Stand aber notwendig, um das IZH auszuschließen.
Positive Reaktionen zur bisherigen Evaluation
Der Staatsvertrag selbst hat in der bisherigen Evaluation, wie man aus Behörden- und Politik-Kreisen hört, eigentlich einen positiven Eindruck hinterlassen. Anscheinend konnte in den letzten zehn Jahren die Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften der DITIB, VIKZ und der SCHURA verbessert werden. In Off-The-Record-Gesprächen haben einige Vertreter durchblicken lassen, dass es ein weiter so geben dürfte.
Das ist allerdings mittlerweile eher fraglich. Sollte die SCHURA das IZH nicht ausschließen, wie es von großen Teilen der regierenden Grünen und SPD gefordert wird, könnte der Prozess ins Stocken geraten. Hinzu kommt, dass SPD und Grüne den Staatsvertrag unverändert fortsetzen wollen. Damit wäre eine Abstimmung in der Bürgerschaft nicht notwendig. Damit sind aber auch Änderungen am Vertrag ausgeschlossen.
Verschiedene Baustellen – auch DITIB ist eine Baustelle
Hier liegt die Krux, die ich schon seit Jahren anprangere. Der Staatsvertrag wird so zur Verhandlungsmasse und übt Druck auf innere Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften aus. Man macht sich in meinen Augen weiterhin erpressbar, wenn man sich so auf den Staatsvertrag fixiert. Dass vieles im Argen liegt, brauche ich nicht weiter zu erwähnen. Murat Kayman hat eine hervorragende Expertise hierzu geschrieben, die sich die Religionsgemeinschaften zu Herzen nehmen müssen.
Gleichzeitig bleibt es ja nicht nur beim IZH hängen. Auch die DITIB hat ihre Baustellen, wie erst kürzlich eine Reportage von Panorama gezeigt hat. Spendengelder scheinen zweckfremd eingesammelt worden zu sein und wurden anschließend auf ein Konto des türkischen Generalkonsulats überwiesen. Anscheinend sind die Bekundungen, man sei unabhängig von der türkischen Regierung, eine Lüge, wie oftmals von Experten und auch mir harsch kritisiert. Monate zuvor hatte sich herausgestellt, dass ein antisemitischer Imam in der DITIB-Moschee in Bergedorf gearbeitet hat. Die Bewertung der DITIB muss auch hier deutlicher ausfallen. Man darf sich insgesamt nichts vormachen.
Strukturförderung fehlt weiterhin
Was aber dem Staatsvertrag fehlt, ist aus meiner Sicht weiterhin eine Strukturförderung für die Verbände. Solange diese nicht Bestandteil der Verträge sind, wird es auch keinen Fortschritt bei der Entwicklung der Verbände (mit Ausnahme des VIKZ) zu echten Religionsgemeinschaften geben. Und dass es hier wirklich viele Baustellen gibt, zeigen interne wie externe Analysen. Doch die rot-grüne Regierung in Hamburg scheint weiterhin nicht gewillt, hier finanziell zu unterstützen, obwohl dies möglich wäre.
Im groben und ganzen war ich immer gegen den Staatsvertrag, weil er schon damals aus meiner Sicht nicht wirkmächtig war. Die geregelten Punkte sind nicht der Rede Wert, weil sie eigentlich selbstverständlich sind. Ein weiter so, wie es aktuell angestrebt wird, festigt den Status quo der Verbände und hilft der Regierung bei der notwendigen Entwicklung hin zu Religionsgemeinschaften nicht weiter. Andererseits ist ein Ende des Staatsvertrags nicht ausgeschlossen und stellt dann alle Seiten vor neue Herausforderungen.
Alternativen zum Staatsvertrag und Ausblick für die Basisarbeit
In diesem Fall dürfte der VIKZ näher ins Blickfeld rücken. Dem VIKZ werden in Hamburg die besten Aussichten auf einen Körperschaft des öffentlichen Rechts zugeordnet. Aber auch die anderen Verbände könnten punktuell mit einzelnen Regelungen und Verträgen ausgestattet die bisherigen Regelungen in einzelnen Punkten übernehmen. Spätestens zum Ende des Jahres wissen wir dann mehr.
Man kann nur hoffen, dass es eine gute Lösung gibt. Ich bleibe aber diesbezüglich weiterhin skeptisch. Auch, weil die bisherigen Probleme und Diskussionen in der Basisarbeit demotivieren. Erst kürzlich wurde ich wieder darauf hingewiesen, was für tolle Arbeit man doch im Grunde in der Basis leiste. Das ist richtig. Ich glaube nur, dass man ohne Staatsvertrag deutlich flexibler und bessere Arbeit leisten könnte. Vielleicht müssen die Verbände dies selbst bald ohnehin unter Beweis stellen. Es bleibt alles spannend.
* UPDATE!
In der bisher online verfügbaren Satzung war eine ruhende Mitgliedschaft nicht möglich. Tatsächlich wurde ich aber darauf hingewiesen, dass die SCHURA bei ihrer letzten Mitgliederversammlung eine Satzungsänderung vorgenommen hat. Dadurch sind ruhende Mitgliedschaften seit November 2021 möglich. In der Satzung heißt es wortgemäß:
“Verstößt ein Mitglied durch Erklärungen oder Handlungen gegen religiöse Grundsätze, die Interessen des Vereines, gegen diese Satzung, gegen das Grundsatzpapier, gegen die Resolutionen der SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg oder sonst in dringenden Fällen, so kann die Schiedskommission über das vorläufige Ruhen der Mitgliedschaft verfügen. Über einen möglichen Ausschluss des Mitgliedes entscheidet die Mitgliederversammlung. Hierfür ist eine Zustimmung von 2/3 der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder erforderlich. Stimmenenthaltungen bleiben daher außer Betracht.”
Die aktuelle Version der SCHURA-Satzung ist auch auf der Website einsehbar.