Im aktuellen t3n-Magazin stellen sich zu Beginn junge „Digital Pioneers“ in einer kleinen Ecke vor. Darunter auch die von mir sehr geschätzte Aylin Karabulut. Der Text hat also meine Aufmerksamkeit gehabt. Gleichzeitig war ich auch etwas von den Antworten überrascht. So wünscht sich eine abgebildete und vorgestellte Person, gerne mal mit Richard David Precht zu tauschen (sic!), während die andere Person gerne in die Rolle von Elon Musk springen würde. Okay, letzteres kann ich noch nachempfinden, aber in die Rolle von Precht stürzen, weil man seinen -Wortschatz und seine Gedanken nutzen möchte? Ein wenig weird für mich.
Gleichzeitig stellen alle Digital Pioneers auch die Tools vor, die sie unbedingt brauchen. Bei dieser Frage und den Antworten musste ich etwas schmunzeln. Denn die Antworten kamen mir alle ziemlich bekannt vor. Zugegeben, wir haben alle in unserem Leben Tools, auf die wir nicht verzichten können, sei es auch nur das liebste Programm für den Empfang und das Versenden von Mails. Doch die Frage nach den Tools, die man unbedingt braucht, ist auch eine Frage des eigenen Selbst. Und ich muss sagen, dass ich vor einiger Zeit dazu übergegangen bin, die Tools aus meinem Leben eher zu streichen, als neue anzuschaffen. Und das muss noch nicht mal „Digital Detox“ als Hintergrund haben. Es geht vielmehr um die Reduzierung von Ablenkung und mehr Konzentration auf die Herausforderungen eines Alltags.
Verzicht im Alltag kann helfen sich besser zu konzentrieren
Ich habe etwa angefangen, mein Smartphone wegzulegen, sobald ich konzentriert an etwas arbeiten möchte. Ich schalte es aus und packe es in eine Schublade oder in den Schrank. Ich muss nicht mehr erreichbar sein. Die Welt geht nicht unter, wenn mein Smartphone aus ist. Ich muss nicht wissen, wie viele Likes und neue Follower ich auf diversen sozialen Netzwerken habe oder welches neue Jobangebot gerade zu meinem Profil auf LinkedIn oder Stepstone passt. Die Ablenkung durch Smartphones, und das ist seit meinem Verzicht deutlich klarer, ist immens. Und einfach nur umzudrehen und auf dem Tisch zu lassen, reicht mir nicht aus. Es bleibt ja in greifbarer Nähe und damit bleibt es auch störend. Ich weiß, dass sich da etwas abspielen könnte, also packe ich das Ding lieber besser weg und konzentriere mich auf meine Arbeit.
Und auch die täglich antrainierten Gewohnheiten muss man ablegen. So war mein Audio-Streaming in Bahn, Bus und Fähre ein Teil meines morgendlichen Rituals. Ich hörte meine Playlist (die häufig aus Hip-Hop und Club-Musik bestand) und nickte manchmal auch mit dem Kopf zu den Beats. Gleichzeitig habe ich meine Umwelt ausgeblendet und musste mir das Gelaber frühmorgens im ÖPNV nicht antun. Doch damit ist Schluss. Ich spare jetzt das Geld für einen Musik-Dienst und lese lieber ein gutes Buch (auch digital) auf meinem Weg zur Arbeit. Zugleich verzichte ich auf das Noise Cancelling meines Headsets. Ich schleppe nicht mehr zu viele Dinge mit mir herum und bin entspannter, wenn ich ins Büro komme, weil ich mich weder durch Beats in ein Tempo zwingen lasse, noch zu gestresst auf meine Umwelt überhaupt reagiere. Ich schalte aus und lasse mich von den Büchern entführen.
Einfach mal ausprobieren und verstehen, was man wirklich braucht
Meine Brieftasche, mein Smartphone und eine Packung Masken sind alles, was ich noch mitnehme. Ich bin dadurch deutlich konzentrierter und fühle mich nicht schon früh morgens dadurch erschlagen, was ich alles noch einpacken muss oder was ich noch eventuell vergessen habe mitzunehmen. Ich ändere Gewohnheiten. Ich lasse mir mehr Zeit und ich schaue genauer hin, was um mich herum geschieht. Und selbst bei der Arbeit verzichte ich langsam auf bestimmte Tools. Nicht aus Kostengründen oder Effizienzgründen. Bestimmte Dinge zu erfassen, ohne die gewohnten Tools nutzen zu können, eröffnet auch neue Möglichkeiten.
Letztens habe ich etwa mein bewährtes Toolset in der Suchmaschinenoptimierung (SEO) einfach links liegen lassen und habe an diesem Tag auf gar keine KPIs geachtet. Ich wollte wissen, wie sich ein Blindflug, den ich früher eigentlich nie wahrgenommen habe, so anfühlt. Und mir wurde dabei umso mehr klar, worauf ich wirklich verzichten kann und worauf nicht. Und vielleicht ist das der Vorteil, etwas älter zu sein und kein „Digital Pioneer“ im klassischen Sinn. Man kennt die analoge Welt, genauso wie man die digitale Welt kennt und weiß, worauf man verzichten kann und worauf man bewusst verzichten sollte. Und vielleicht ist dies auch der Unterschied, der hilft, sein Publikum besser zu verstehen. Denn kein Tool der Welt kann persönliche Wahrnehmung und Erfahrung ersetzen. Jedenfalls noch nicht …