Eigentlich war ich heute auf einer Geburtstagsfeier und wollte nur mit einem lieben Menschen nachfeiern. Doch später driftete das Thema ab. Das lag an — aus meiner Sicht — falschen Vorstellungen von Ehe und Glück. Zu einem anderen Zeitpunkt ging es auch plötzlich um die Mehrehe. Ein paar Gedanken und Einblicke.

Ich habe nur von den besten gelernt. Dazu gehört auch, dass man Einblicke in das Privatleben gewährt, wenn man ein Blogger sein möchte, der was auf sich hält. Heute möchte ich dann doch ein paar Einblicke gewähren, weil es gerade hervorragend passt und ich auch versuche öfter zu schreiben, als bisher.

Ich war heute eingeladen, um den Geburtstag eines lieben Menschen nachzufeiern. Wir waren im engsten Familien- und Freundeskreis zusammen und wie so üblich, jagten wir ein Thema nach dem anderen, während der Tee kochte und der Grill angezündet wurde. Später kamen wir auf das Glück zu sprechen. Ich erklärte, dass Menschen immer wieder nach Erfüllung und Glücksgefühlen streben. Materialismus führt aber nicht unbedingt zum Glück.

Glücklich sein

Ein Beispiel: Ich habe in meinem Leben viele Phasen erlebt. Die glücklichste Phase war, als meine Frau und ich kaum genügend Geld pro Monat über hatten, um über die Runden zu kommen. Das war die erfüllendste Zeit in meinem Leben, weil die Person, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen wollte, zu mir stand und wir gemeinsam diese harte Zeit überstanden haben. Daneben gab es Zeiten, in denen wir überdurchschnittlich gut verdient haben und es gab Zeiten wie jetzt, wo wir genügend verdienen, aber auch nicht zu viel.

Auf der anderen Seite steht ein Mensch, der mit seinen 1.800 EUR netto im Monat nicht zufrieden ist. Es ist für ihn zu wenig Geld, um über die Runden zu kommen. Das fällt ihm schon als Single schwer. Er ist noch jung, er versteht weiterhin nicht, dass Geld eben nicht alles. Geld stellt nicht einen Teil unseres Glückes dar und mit Geld kann man auch kein Glück kaufen.

Materialismus hält nur bedingt ein Glück bereit

Daneben ein junger Mensch, der monatlich locker seine 3.000 Netto erhält und gerade einen Wagen gekauft hat, einen BMW. Es erfüllt ihn mit Stolz. Er kommt aus einer Familie, in der Hartz IV an der Tagesordnung stand. Nun möchte er sich alles gönnen, was geht und er verdient als Verfahrenstechniker genug, um sich seine Träume zu erfüllen.

Auch ihn wird dieser Wagen nicht immer glücklich machen. Es ist ein Momentum und man lässt ihn in diesem Moment machen, weil er sich seine eigene Daseinskrise damit beschönigt. Aber auch er wird früher oder später verstehen, dass ein Super-Wagen nicht vernünftig ist. Es braucht aber zunächst Zeit, diese Reife aufzubauen und auch das Verständnis darüber zu gewinnen, was eigentlich glücklich macht.

Glück ist für mich…

Für mich ist Glück, einen Job zu haben, der mir Spaß macht. Für mich ist Glück, eine Familie zu haben, die ich liebe und die mich liebt. Für mich ist Glück, mein Leid und meine Freude mit Menschen zu teilen, die ich wichtig empfinde. Für mich ist es Glück, einfach in einem Garten zu sitzen und mit Freunden oder meiner Familie ein Gespräch zu führen. Früher war ich materialistisch, jetzt bin ich minimalistisch, aber ich habe auch Ansprüche an mein Umfeld, das mich vor allem eines nicht darf: Stressen. Und dass ich ein solches Umfeld habe, ist Glück.

Eine der anwesenden Personen erzählte dann, dass sie sich wünsche ein schönes Haus zu haben, eine gute Frau und fünf Kinder. Das war nicht als Witz gemeint. Diese Person denkt so und ich liebe diese Person, wie mein eigen Fleisch und Blut. Doch das Familienmodell, das ihr vorschwebt, ist überhöht und leider auch ein Trugschluss.

Ehen können krisenhaft verlaufen

Jede gute Ehe hat seine Höhen und Tiefen. Genauso können aber auch viele Ehen eben scheitern. Eine Familie zu gründen sollte wohlüberlegt sein und vor allem durchdacht. Fünf Kinder sind ein interessantes Ziel, aber welche Frau macht das mit. Vor allem: Welchen Job und welche Zeit will man in die Kinder investieren?

Es störte mich gar nicht, dass man diesen Wunsch hegt. Es störte mich, wie idealisiert die Familie in einem solchen Modell eigentlich ist. Ich kenne viele Muslim:innen, die todunglücklich in solchen Ehen stecken. Ich wünsche mir für diese Person aber eine glückliche Ehe, ein glückliches Familiendasein und ein gesundes Maß und Verständnis für Familienglück. Das kann nicht gelingen, wenn man überhöhte und unrealistische Erwartungen hat.

Überholte Familien- und Rollen-Modelle

Dazu kommt, dass unsere Familienmodelle langsam überholt sind. Muslim*innen können sehr wohl als Singles glücklich sein. Sie können auch in einer Ehe ohne Kinder glücklich sein — vor allem, wenn der Kinderwunsch nicht klappt. Die Frage ist nicht, ob Kinder und Frau einen glücklich machen. Die Frage sollte sein: “Was bringe ich eigentlich in diese Gemeinschaft hinein, die als Ehe funktionieren soll, damit wir alle am Ende glücklich werden?” oder sie sollte sein: “Was macht mich zum idealen Ehepartner oder Ehepartnerin.”

Erwartungen laufen immer in die andere Richtung: “Ich suche die richtige Person zum Heiraten!”, wird immer wieder gesagt. Kein Mensch sagt: “Ich will die richtige Person zum Heiraten sein!” Dabei muss man gerade für eine gute Ehe versuchen, die richtige Person zu sein. Wenn man das nicht von sich selbst sagen kann, wie kann man dies von anderen erwarten?

Falsche Vorstellungen und falsches Wissen über die Mehrehe

Der letzte Punkt hat mich dann doch aufgeregt. Ich bin kein Freund der Mehrehe. Sie ist in muslimischen Gesellschaften oft verpönt. Doch bezüglich der Mehrehe gibt es immer wieder falsche Informationen. Eine davon lief heute wieder ab: “Man muss, bevor man eine zweite Person heiratet, die erste Frau fragen.”

Das ist ein Irrglaube, der immer wieder herumgeistert. Das ist kein Muss, sondern ein Kann. Der Unterschied liegt im Detail, aber dieses Detail wird eben gerne falsch weitergegeben. Die Mehrehe ist auch ohne Einwilligung der Erst-Frau möglich. Der Quran erlaubt die Mehrehe unter strengen Auflagen. Zu den Auflagen gehört aber nicht, dass man seine Erst-Frau fragen muss. Das wird aber — gerade in Deutschland — ständig herumerzählt. Das hat auch etwas mit Orientalismus und falschen Interpretationen zu tun.

Eine Frage von Moral und Anstand

Tatsächlich ist es eine Frage von Moral und Anstand, seiner Erst-Frau die Erlaubnis abzuringen. Es ist keine Glaubensfrage. Die Mehrehe ist Bestandteil der islamischen Religion und war auch vor der Religion weitverbreitet. Der Islam hat der Mehrehe Grenzen gesetzt und klare Regeln vorgeschoben. Davor waren Mehrehen üblich und eher die Regel als die Ausnahme.

Heute wird die Mehrehe eher verpönt angesehen — aus gutem Grund: Sie schwächt die Stellung von Frauen und unterminiert das Anrecht auf Gleichbehandlung. Deshalb wird heute von modernen Exegeten und Islamwissenschaftlern eher die soziale Komponente von Mehrehen in den Vordergrund gestellt: Dass diese z. B. in Kriegszeiten Frauen vor der Verwitwung und Armut retten können.

Klare Grenzen durch Quran bereits gesetzt

Der Quran selbst schreibt eine Gleichbehandlung von Ehepartnerinnen in Mehrehen vor und warnt auch vor der Ungleichbehandlung. Maximal vier Frauen sind erlaubt. Dafür dient als Grundlage Vers 3 der Sura an-Nisa.

“Und wenn ihr befürchtet, nicht gerecht hinsichtlich der Waisen zu handeln, dann heiratet, was euch an Frauen gut scheint, zwei, drei oder vier. Wenn ihr aber befürchtet, nicht gerecht zu handeln, dann (nur) eine oder was eure rechte Hand besitzt. Das ist eher geeignet, daß ihr nicht ungerecht seid.”

Der Quran, Sura an-Nisa (Die Frauen), Vers 3, Übersetzung Bubenheim und Elyas

Gleichzeitig warnt der Quran selbst die Muslime davor, die Mehrehe einzugehen, weil sie eben nicht gerecht sein können. Denn in der gleichen Sura heißt es auch in Vers 129:

“Und ihr werdet zwischen den Frauen nicht gerecht handeln können, auch wenn ihr danach trachtet. Aber neigt nicht gänzlich (von einer weg zu der anderen), so daß ihr sie gleichsam in der Schwebe laßt. Und wenn ihr (es) wiedergutmacht und gottesfürchtig seid, gewiß, so ist Allah Allvergebend und Barmherzig.”

Der Quran, Sura an-Nisa (Die Frauen), Vers 129, Übersetzung Bubenheim und Elyas

Insgesamt war die Diskussion dann aber auch interessant. Solche Diskussionen führen auch zu Erkenntnissen, die man im Alltag so nicht erwartet. Ein Beispiel war dann: “Also, wenn das so ist, ist das nicht machbar. Die Erst-Frau könnte ja eine Platin-Kreditkarte erhalten und die andere bekommt nur die Haspa-Joker-Card. Das ist ja da schon ungerecht.”

Emanzipation: Freiheit, sich das nicht bieten zu lassen

Tatsächlich ist die Frage nach Gerechtigkeit eher eine materielle Frage. Der Quran zeigt selbst auf, dass eine Liebe nicht aufgeteilt werden kann. Es ist aber wichtig, dass wir nicht anfangen, falsche Dinge weiterzugeben, wenn diese gar nicht als “Anforderung” erwartet werden. Es ist, wie oben beschrieben, eine Frage von Moral und Anstand.

Kein Ehepartner kann erwarten, dass bei einer Ehe, die ohne Wissen des ersten Partners geschlossen wird, jemand mit Verständnis reagiert: weder erste noch weitere Ehepartner*innen. Und glücklich wird man in solchen Ehen schon gar nicht. Sie basieren auf einem vormodernen Anspruch der Dominanz von Männergesellschaften. In unserer heutigen Zeit mögen sich Menschen gerne abhängig machen und “versklaven” lassen — es steht ihnen aber auch frei zu sagen: Das lasse ich nicht mit mir tun.

Und vielleicht ist das auch der Weg zum Glück: Man lässt sich nicht mehr alles gefallen und klärt dort auf, wo es Aufklärung benötigt. Ist das nicht auch eine besondere Form von Emanzipation? Ich freue mich über Feedback.

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