Seit ein paar Monaten trinke ich mindestens einmal pro Tag einen Shake von einem bekannten Nahrungsersatz-Anbieter. Es geht dabei nicht ums Abnehmen. Ich fühle mich damit wohler und kann mir vorstellen, ganz umzusteigen. Aus praktischen Gründen. Ein Erfahrungsbericht zu Shakes und Pulver-Nahrung.

Sie heißen Mana, Huel, Jake, Soylent, YFood oder auch Bertrand. Der Markt für Nahrungsersatz-Shakes und Co. erlebt gerade einen weiteren Auftrieb. Tatsächlich hat auch der Auftritt von YFood 2018 bei der Höhle des Löwen der gesamten Branche Aufmerksamkeit verschafft. Die Finanzierung von Nahrungsersatzprodukten und gerade solcher Astronautennahrung nahekommender Produkte hat zugenommen. Der Markt wird auch immer interessanter, weil sich Fitness-Blogger:innen und die Gesundheitsindustrie auf das Thema einlassen.

Grundsätzlich gibt es immer wieder Kritik an solchen Formen von Nahrungsersatzprodukten. Die Produkte wollen ein vollständiger Ersatz für mindestens eine Nahrung sein. Es gibt jedoch keine Langzeitstudien zu den Auswirkungen solcher Produkte auf den menschlichen Körper. Auch ist nicht klar, ob die Zusammensetzungen der Produkte wirklich das halten, was sie versprechen. Einige Analysen und Selbsttests zeigten in der Vergangenheit Schwächen diverser Produkte auf. Teilweise hatten die Produkte sogar Nebenwirkungen, die gar nicht eingeplant waren, wie massiver Gewichtsverlust oder Probleme in der Darmflora.

Story hinter Hype stammt aus dem Jahr 2013

Ich bin mit dem Thema durch meine Arbeit in Berührung gekommen. Es ist dabei kein Lifestyle-Thema für mich, sondern ein Interesse-getriebenes Thema. Es war im Februar 2013, als ich auf den Artikel von Rob Rhinehart gestoßen bin. In seinem Beitrag “How I Stopped Eating Food” berichtete er über seine eigene Entwicklung namens Soylent. Er bewies damit auch einen makabren Humor. Die IT-Szene war überrascht und auch angefixt von der Idee. Rhinehardt teilte seine eigene Formel kostenlos auf seinem Blog. In den folgenden Monaten überboten sich einzelne Spezialisten mit eigenen Formeln, die auf Rhinehardts Formel basierten und diese verbessern wollten.

Was Rhinehart da noch nicht ahnen konnte war, dass er eine interessante Geschäftsidee gefunden hatte und später eines der ersten erfolgreichen Millionen-$-Startups in den USA gründen würde. Heute ist Soylent vorwiegend in den USA, Großbritannien und auch Kanada als funktionales Essen bekannt. Alle neueren Anbieter haben sich weitestgehend an Soylent orientiert und das Original-Vorbild versucht zu kopieren. Das gilt sogar für die Farben der Geschmacksrichtungen der eigenen Getränke.

Soziale Funktion von Essen

Mich faszinierte an der Diskussion vorwiegend ein wichtiger Aspekt: Ich verlor damals durch Essen in der Kantine oder beim Mittagessen im Job einfach wertvolle Zeit. Es stellte sich die Frage, ob das Zeug auch etwas für mich sein könnte. Ich verschob meinen Test, auch weil Soylent damals noch eine Idee und kein echtes Produkt war. Es war aber eine Idee für die Tech-Szene, die vor allem auch soziale Experimente und Faktoren berücksichtigte. Heute sind Soylent und ähnliche Produkte hauptsächlich im Silicon Valley weitverbreitet.

Rhinehart hatte schon damals über die soziale Funktion von Essen und der damit verbundenen Implikationen geschrieben, wenn man auf funktionales Essen umstieg. Gleichzeitig gab es auch immer wieder Fragen darüber, ob solches Essen und ein kompletter Umstieg nicht Nebenwirkungen hätte. Rhinehardt verneinte dies und ging selbst in die Offensive und sprach offen über seine nicht vorhandenen Probleme in der Konsistenz seiner Ausscheidungen. Er schwärmte vom Produkt und von seiner Gesundheit. Das blieb letztlich hängen und führte vermutlich auch zum Erfolg von Soylent.

Kein Geschmack bei den Kopien

Neuere Akteure kamen im Laufe der Zeit dazu. Alle hatten jedoch gemeinsam, dass sie entweder nicht geschmeckt haben oder auf einer anderen Basis ihr Produkt produzierten, als das ursprünglich angepriesene Soylent. Ein interessanter Aspekt war der Rückgriff auf Haferflocken, Leinsamen oder auch Sonnenblumenkerne. Oftmals waren die Produkte auch zu stark Proteinhaltig. Das gehörte aber auch mehr oder weniger zu der Lifestyle-Kultur, wie sie gerade aktiv betrieben wird. Getränke, die als Milchersatz dienen, basieren auch auf Haferflocken.

Für mich selbst begann erst im Jahr 2018 ein erster Test. Da es Soylent in Deutschland weiterhin nicht zu kaufen gibt, hatte ich schon damals keine andere Wahl. Ich hatte keine Lust mehr immer draußen zu Essen und dafür auch meine Pause zu verplempern. Es war eine kurze Phase und eine Online-Werbung brachte mich zu einem der Marktführer in Deutschland. Allerdings war das Produkt noch sehr frisch und vor allem noch nicht reif genug. Der Geschmack war fad, das Getränk schluckte sich nur spärlich, trotz ordentlichem Schütteln im Shaker. Ich brach es nach einer Woche ab.

Weitere erfolglose Versuche

Das lag auch daran, dass das Getränk mir gar nicht guttat. Es sorgte eher dafür, dass ich mich schwach und lustlos fühlte. Das war nicht Sinn und Zweck des Ganzen. Ich zog es dann doch vor, täglich in ein und dasselbe Lokal zu gehen und dort immer das Gleiche zu bestellen. Das war die Lösung und ich musste nicht mehr ständig darüber nachdenken, was ich jetzt esse und wohin ich hingehe.

Das Problem tauchte aber 2019 noch mal auf. Diesmal gab es andere Gründe. Ich hatte das Ziel abzunehmen, Bewegung gab es aber nicht genug. Ich fragte meinen Arzt und er riet mir ab. Dennoch bestellte ich mir diesmal bei einem neueren Produzenten die Getränke. Auch diesmal wurde ich bitter enttäuscht. Der Geschmack war grässlich und das Resultat war, dass ich mich nach jedem Getränk schlechter fühlte als vorher. Ich brach erneut ab.

Im Lockdown das richtige Produkt für mich gefunden

Der Lockdown kam. In diesem Jahr hörte ich erst von einem Unternehmen, dass mir bisher entfallen war. Ich möchte fair bleiben und erwähne deshalb nicht, welches Unternehmen. Jede Person muss selbst eigene Erfahrungen machen, wenn es sich auf diesem Gebiet ausprobieren möchte. Und vor allem sind Geschmäcker und Erwartungen verschieden.

Meine letzte Wahl war meine Rettung. Im ersten Monat im Lockdown hatte meine Frau immer wieder für mich zur Mittagszeit gekocht. Das Ergebnis war, da eben im Lockdown auch die Bewegung fehlte, dass ich fast 6 Kilo innerhalb eines Monats zugenommen habe. Dazu kamen weitere Beschwerden, die mit dem Übergewicht zu tun hatten.

Ich musste was ändern und bestellt mir zunächst eine Probierpackung. Das Getränk schmeckte nicht nur gut, es war wirklich okay und ich fühlte mich mit jedem Getränk gesünder und besser. Es passte auch in meine religiösen und speziellen Bedürfnisse. Es ist ein Getränk, dass letztlich nur aus halal-Lebensmitteln hergestellt wird, keinen Zucker zugesetzt bekommt und selbst in einer veganen Version vorliegt. Für mich war es ideal.

Shake vs. Pulver — Der Preis unterscheidet sich ganz schön stark

Allerdings war der Preis für die fertigen Getränke happig. Die Pulverlösung ist hingegen erschwinglich gewesen und ich bestellte mir einen Monatspack. Das Resultat: Im Shaker geschüttelt, schmeckt das Zeug genauso gut wie die Fertigversion in Plastikbehältern. Dazu kann man sich in einem Shaker bereits alles vorbereiten und braucht nur noch Wasser draufzukippen und zu schütteln. Es sorgte dafür, dass ich meinen ungesunden Essensstil nun mit gesunder Ernährung verbinden konnte.

Denn anders, als man denkt, habe ich viel Junk-Food konsumiert und tue es teilweise immer noch. Dagegen ist funktionale Nahrung eine Entlastung und Wohltat, weil es auch meine einseitige Ernährung ausgleicht. Insgesamt habe ich mittlerweile eine vollständige Mahlzeit pro Tag ersetzt. Seit Anfang Juli arbeite ich am Jungfernstieg, wo ich in der näheren Umgebung nur teure Möglichkeiten habe, was zu essen. Ich habe mir im Juli erlaubt, alle in der Nähe befindlichen Möglichkeiten auch auszutesten. Ersetzt habe ich in dieser Zeit das Abendessen. An manchen Tagen aber auch einfach das Mittagessen.

Mittagessen wird ersetzt — auch aus Kostengründen

Für mich steht aber fest, dass ich künftig das Mittagessen ersetzen werde. Das wird nicht nur Zeit sparen, was in meiner Branche viel Wert ist. Es erspart mir auch zu hohe Kosten am Ende des Monats wegen außerhalb Essen. Außerdem kann ich die Pause dann auch für noch sinnvollere Arbeiten oder Ablenkungen nutzen. Zuletzt konnte ich während der Pause vermehrt etwas lesen oder mich kurz über die aktuellen Entwicklungen auf der Welt informieren. Das sind Momente, die man dann zusätzlich hat.

Pausen sind für mich immer wichtig gewesen. Ich muss diese aber nicht mit Kolleg:innen verbringen. Ich benötige Ruhe und Abstand und möchte auch abschalten. Das ist mit einem Shake einfacher, als in einem vollen Restaurant zur Mittagszeit. Für mich ist funktionales Essen gerade seit drei Monaten ein wichtiger Teil meines Lebens geworden. Die Pfunde aus dem Lockdown sind schon mal weg und mit dem neuen Arbeitsweg sind täglich auch 10.000 Schritte drin, die mich noch mehr pushen.

Keine Verschwendung mehr — mehr Kreativität und Entlastung

Was für mich wichtig ist, ist aber auch die Tatsache, dass ich nicht komplett abschalte. Letztens war ich zum Abendessen mit einem Freund verabredet. Ich esse bewusster, genieße solche Zeiten und Momente für intensive Gespräche und bleibe dennoch meiner Linie treu. Und wenn ich ein Geschäftsessen habe oder mich mit Freunden zu Mittag treffe, dann ist das ebenso. Essen verursacht kein Ekel bei mir. Ich habe nur meinen Alltag vereinfacht.

Ich muss nicht mehr darüber nachdenken, was ich esse, wo ich esse und mit wem ich esse. Das Gleiche gilt auch für meine Kleidung, die jede Woche nach einem gleichen Muster aus dem Schrank genommen wird. Das spart Zeit, entlastet und schafft Platz für neue Gedanken und mehr Kreativität.

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